Vom Jagen und Gejagtwerden

Der Mensch ist ein Jäger und Gejagter zugleich. So ist es, und es war schon immer so. Heute jagen wir der Zeit hinterher – und die Zeit, Stress ist hier das Stichwort, sitzt uns im Nacken.
Doch auch in anderer Hinsicht sind wir Jäger und Gejagte, sei es sinnbildlich oder wortwörtlich gemeint. Das trifft auf viele Lebensbereiche zu – und der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.




Schon die bemerkenswerten Höhlen-Kunstwerke in den Pyrenäen, die bis zu 35.000 Jahren vor unserer Zeit entstanden sind, legen ein Zeugnis davon ab. Für den Cro Magnon-Jäger war die Jagd die notwendigste Lebensgrundlage.
Mit Jagdwaffen von geringer Reichweite, wie Speer und Pfeil, die in den Malereien auch dargestellt werden, musste er sich den weitaus stärkeren und wehrhaften Tieren, wie Mammut, Wisent, Nashorn und Pferd, bei der Jagd stellen. Denn der Jäger jener Zeit hatte nicht nur Hasen und Hirsche auf seiner Speisekarte.
Bär und Löwe machten ihm die Höhlen, die der Mensch der Steinzeit als schützende Lager- und Kultstätte nutzen musste, streitig. Und so war der Jäger vor 35.000 Jahren sowohl Jäger als auch Gejagter.



Der junge Jäger der Steinzeit, in der Blüte seiner Jugendkraft, erwarb sich, sich den Gefahren der Jagd aussetzend, die Anerkennung als Versorger der Gemeinschaft. Die Jagd im Ganzen erforderte Disziplin, vorausschauendes Denken und gab Gelegenheit Mut, Kraft und Gewandtheit zu zeigen.
Die Jagd in der Gruppe und die Beherrschung des Feuers machte den Mensch gegenüber dem Wildtier überlegen. Dennoch war die Gefahr, sich lebensgefährliche, ja tödliche Verletzungen zuzuziehen, immens. Eine Behandlung oder gar Heilung war so gut wie ausgeschlossen.
Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug gerade einmal 30 Jahre.


Die Künstler aller Zeiten, beginnend bei den Jägerkünstlern der Steinzeit, stellen stets nur den Erfolg der Jagd und des Kampfes und damit die Unterwerfung sowie Tötung des Wildes bzw. des Gegners dar. Aber, wie wir wissen, gab es auch immer wieder Opfer, d. h. Verletzte und Tote, zu beklagen.
Der Mensch sonnt sich gerne im Trugbild seiner Überlegenheit, vergisst aber durchaus dabei, dass er ein Lebewesen darstellt, das von Mängeln, wie der Philosoph Arnold Gehlen schrieb, gekennzeichnet ist.


Die hier vorgestellten Bilder sind dramatische Darstellungen vom Jagen und Gejagtsein, vom Kampf um das Beutemachen und des Beuteseins; das gilt für das Wildtier sowie für den Menschen. Die Bilder schlagen, gleich einer Zeitreise, eine Brücke zwischen Steinzeit und Gegenwart. Sie lassen uns in ihrer Aussage und Betrachtung erkennen, dass die Jagd ein immaterielles Weltkulturerbe der Menschheit ist. Denn das Jagen und das Gejagtwerden ist in mancherlei Hinsicht nach wie vor eine menschliche Grund-und Grenzerfahrung.
























Jäger - Schamane - Krieger

Diese Illustration zeigt den Werdegang der Menschheit.
Die Sammler und Jäger jagten und verspeisten auch einander.
Mit der Sesshaftigkeit schaffen Sie Besitz, grenzen die Anderen
(Fremde und Feinde) aus und versklaven sie.


Rainer Schmidt/Arkebek